Die offizielle Geschichtsschreibung vermerkt den 17. Dezember des Jahres 1903 als das Datum, an dem sich das erste Mal ein Mensch, getrieben von der Kraft eines Motors, in die Lüfte erhob. Der Schauplatz dieses Ereignisses waren die Dünen von Kitty Hawk im US-Bundesstaat North Carolina, Akteure waren die Gebrüder Wilbur und Orville Wright, Fahrradkonstrukteure und -händler aus Dayton / Ohio. Ihre erste Flugmaschine, der Wright Flyer I hatte eine Spannweite von 12,25 m, die Antriebsleistung des selbstgebauten 4-Zylinder-Benzin-motors betrug bei einem Gewicht von 75 kg gerade einmal maximal 16 PS. Der Antrieb erfolgte mittels verlängerter Motorradketten auf zwei gegenläufige Druckpropeller. Der Pilot lag bei diesem ersten Modell noch auf der unteren Tragfläche, erst beim zweiten wurde dieses wie auch die Anordnung der Steuerung verändert. Das Grundprinzip des gesamten Flugapparates blieb aber bis in das Jahr 1912 relativ unverändert, das Festhalten an diesem Konstruktionsprinzip sollte dann auch die Ursache für den frühen Niedergang des Unternehmens werden.
Die am 17. Dezember erzielte Weite sah aus heutiger Sicht noch recht bescheiden aus - 260 m Strecke und 59 sec. Flugdauer - aber es war der erste erfolgreiche Start eines Flugapparates schwerer als Luft mittels Motorkraft. Dieses historische Fluggerät befindet sich heute, nachdem es erst im Jahr 1948 wieder aus den Kisten, in denen es bis dahin in Dayton lagerte, entnommen und restauriert worden war, als Blickfang im National Air and Space Museum in Washington, D.C.
Dieser große historische Rahmen ist mehr oder weniger dem allgemein Interessierten zumindest punktuell bekannt. Verfolgt man aber den Weg der Gebrüder weiter, wird recht schnell sichtbar, dass dieser weitestgehend der heutigen gängigen Betrachtung entzogen ist und dass nur ein relativ enger Kreis von Luftfahrtspezialisten Kenntnis darüber hat. Dies scheint umso erstaunlicher, da sich doch der fliegerische Lebensmittelpunkt der Brüder, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, nach Europa verlagerte. Nicht zu vergessen ist auch der Umstand, dass die Gebrüder Wright im Vorfeld ihrer Versuche äußerst intensiv und mit hoher Anerkennung auf das theoretische Wissen und die praktischen Erfahrungen des 1896 tödlich verunglückten Otto Lilienthal zurückgegriffen hatten.
Verschiedene Ursachen, nicht zuletzt die Verwertungsbedingungen der Erfindung in den USA, führten die Brüder zuerst nach Frankreich, am Anfang des vergangenen Jahrhunderts die führende Luftfahrtnation, und in der Folge recht rasch nach Deutschland. Wesentliche Ursache für diese Orientierung waren das dortige wachsende Interesse an Fluggeräten schwerer als Luft (sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland interessierte sich zunehmend das Militär für diese neuen Flugapparate) und der wachsende Konkurrenzdruck auf diesem Gebiet. Gerade diese Konkurrenz war Anlass dafür, dass Wilbur die Aufgabe übernahm, die Öffentlichkeit, die Medien und die politischen Entscheidungsträger von den potenziellen Möglichkeiten des nunmehr weiterentwickelten Fluggerätes zu überzeugen. Und dies gelang an allen Plätzen, wo er sein Flugprogramm vorführte, in nahezu eindrucksvoller Weise - immer neue Flugrekorde wurden aufgestellt und der Name Wright wurde zu einem festen Begriff. Im Jahr 1909 konnten auch die Verhandlungen in Deutschland zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Am 13. Mai wurde in Berlin die Flugmaschine Wright GmbH gegründet, sie war damit nach der Fabrik von Euler in Darmstadt die zweite Flugzeugfabrik in Deutschland. Die Einlagen der Gesellschafter entstammten u.a. den Kassen von Krupp, Loewe, Borsig, AEG und Delbrück. Auch Walther Rathenau gehörte zu den führenden Köpfen des jungen Unternehmens. In der Kleiststrasse und am Nollendorfplatz entstanden Stadtbüros. Alsbaldigst wurde mit der Produktion am Spandauer Weg in Reinickendorf begonnen. Die nötigen Flugerprobungen fanden zuerst auf dem Tegeler, dann auf dem Tempelhofer Feld statt, beides zur damaligen Zeit militärische Übungs- und Paradeplätze. Heute sind diese Stätten in folgerichtiger Nutzung - einerseits als Flughafen Berlin-Tegel Otto Lilienthal" und andererseits als Flughafen Berlin-Tempelhof. Aber auch das Bornstedter Feld in Potsdam wurde für Flugversuche genutzt. Doch zurück in das Jahr 1909. Vor illustrem Publikum (der Kaiser war zwar nicht anwesend, er hatte bereits im August Flugversuchen in Tegel beigewohnt) startete Orville Wright am 4. September das erste Mal in der deutschen Öffentlichkeit und zeigte vor Tausenden von Zuschauern ein exzellentes und spektakuläres Flugprogramm. Diese Veranstaltung wie weitere in ganz Deutschland füllten die Auftragsbücher und waren natürlich auch eine zugkräftige Werbung für diese neue Art der Fortbewegung. Allerdings wirkte sich die Entfernung zwischen der Fertigung in Reinickendorf und dem "Flugfeld" in Tempelhof, das ja ein provisorisches und nur zeitweilig zu nutzendes war, äußerst hemmend aus, mussten doch die Fluggeräte jedes Mal demontiert und mit Pferde-fuhrwerken durch Berlin "gekarrt" werden. Recht rasch sah man sich nach einem günstigeren Standort um und wurde auch schnell fündig. Mit der Einweihung des ersten deutschen Motor-flugplatzes am 26. September 1909 in Berlin-Johannisthal waren die günstigsten Bedingungen an einem Ort zusammengefasst. Hier konzentrierte sich nahezu alles, was in der damaligen noch jungen deutschen Luftfahrt Rang und Namen hatte und darüber hinaus - dieses Flugfeld bot alle Bedingungen für Produktion, Erprobung, Schulung und Vorführung, es befand sich quasi "alles unter einem Dach". Bis zur Fertigstellung des neuen Produktionsgebäudes von Wright in Adlershof an der Rudower Chaussee wurden die Transportwege zwar vorerst länger, aber dies gehörte Anfang 1911 mit seiner Inbetriebnahme direkt neben der fabrikeigenen Flugschule der Vergangenheit an.
Ohne jede Übertreibung können die Wright-Doppeldecker (es entstanden verschiedene Typen, die aber alle dem Vorbild des anfangs
skizzierten Grundmusters folgten) bis etwa in das Jahr 1911 hinein als die Standard-Schulflugzeuge der Anfangszeit der Fliegerei
bezeichnet werden. Bis zum Ende des Jahres 1910 erwarb etwa ein Drittel der Piloten seinen Flugzeugführerschein auf diesem
Fabrikat. Eindrucksvoll waren auch die Leistungen der Wright-Piloten bei Wettbewerben oder bei der Erzielung von Flugrekorden.
Namen wie Engelhard, Sedlmayr und Thelen waren in aller Munde, Höhen- und Dauerflugrekorde bewiesen die Leistungsfähigkeit der
Erzeugnisse. Besonders die Leistungen der sogenannten "Sturmflieger", die auch im Winter noch bei Windgeschwindigkeiten bis zu
60 km/h flogen, sorgten für Schlagzeilen. Gelangen diese Leistungen doch in einem Fluggerät, dessen Pilotensitz vollkommen
offen lag und das über keine Querruder verfügte, sondern dessen Neigung im Kurvenflug mittels Flächenverwindung bewerkstelligt
werden musste.
Bereits im Verlauf des Jahres 1911, besonders aber 1912 machte es sich hemmend bemerkbar, dass die Fluggeräte von Wright
technologisch gesehen ihren Zenit überschritten hatten. Die Konkurrenz ging zu diesem Zeitpunkt zur heute noch klassischen Form
eines geschlossenen Rumpfes mit vorn liegendem Motor und direkt angetriebener Zugschraube über. Diesem Prinzip konnte (und
wollte) man bei Wright nicht folgen. Es mehrten sich Flugunfälle, zudem zeigte das Militär zunehmendes Desinteresse an diesen
Fluggeräten. Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich rasch, fatalerweise starb Wilbur Wright 1912 mit 45 Jahren an
Typhus. Damit war das Schicksal des Unternehmens besiegelt, Patentstreitigkeiten beschleunigten das Desaster.