Die Aufnahme des Nachtflugverkehrs Mitte der 20er Jahre in Deutschland
Der Anfang des Nachtflugverkehrs in den 20er und 30er Jahren in Deutschland
Am 6. Januar 1926 wurde im Berliner Hotel Kaiserhof die Luftverkehrsgesellschaft "Deutsche Luft Hansa AG" aus den
Vorläufergesellschaften "Deutsche Aero Lloyd" und "Junkers Luftverkehr AG" gegründet. Die Aufnahme des Flugbetriebes erfolgte
am 6. April des gleichen Jahres. Als Wirtschaftsunternehmen war man von Anfang an der Erzielung von Gewinn unter
Berücksichtigung der entsprechenden Flugsicherheit verpflichtet. Bereits zum damaligen Zeitpunkt spielten wie auch noch heute
Fragen der Auslastung des Fluggeräts und die Verringerung von Standzeiten am Boden eine entscheidende Rolle. Das zu diesem
Zeitpunkt vorhandene Fluggerät (vor allem Typen aus der Fertigung von Junkers und Dornier, teilweise auch von Fokker, Rohrbach,
Albatros und anderen) hatte bereits einen solchen technischen Stand erreicht, dass eine entsprechende Zuverlässigkeit und
Sicherheit gewährleistet werden konnte. Allerdings beschränkte sich deren Einsatz wie auch das Handling am Boden vorerst nur
auf Zeiten zwischen Sonnenauf- und -untergang bzw. in deren Grenzbereichen. Zwar hatte bereits am 14. März 1913 während seines
Dauerflugrekords der erste deutsche Nachtflug durch Gerhard Sedlmayr stattgefunden und es wurden auch im Weltkrieg Nachteinsätze
geflogen, allerdings konnte für die Beförderung von Passagieren und Fracht Mitte der 20er Jahre noch keine hinreichende
Sicherheit gewährleistet werden. Zudem erforderte die Blindflugausbildung (Instrumentenflug) neben erfahrenem Flugpersonal
einen erheblichen Zeitaufwand für die Schulung, auch war die entsprechende Gerätebasis noch nicht in breitem Maße eingeführt.
Funknavigation und Blindflug waren zu dieser Zeit noch weiße Flecken, Sichtflug entlang von Bahnlinien gehörte zum normalen
Standard. Um die Standzeiten am Boden zu minimieren, entstand die Idee, auch nachts zu fliegen und dafür die entsprechenden
Bedingungen zu schaffen. Beginnend bereits ab 1924 schuf man die entsprechenden Voraussetzungen, indem eine Reihe von
Experimenten für einen Nachtflugbetrieb zur Durchführung kam. So wurden auf der ca. 140 km langen Strecke von Berlin-Staaken
nach Stettin im Abstand von 30 km Scheinwerfer aufgestellt. Dieser Abstand erwies sich allerdings mit der dabei verwendeten
Technik als zu groß. Der nächste Schritt war auf der Strecke nach Hamburg die Errichtung elektrischer Drehfeuer und von
beleuchteten Notlandeplätzen, ein Verfahren, welches bei der späteren Einrichtung der Nachtflugstrecken beibehalten worden ist.
Eine weitere Variante war die Einrichtung von Gasblinkleuchten und farbigen Leuchtstofflampen (sog. Neonröhren) in Richtung
Warnemünde. Dies konnte allerdings wenig überzeugen, da die Lichtausbeute keinen sicheren Flug ermöglichte. Dieses Verfahren
wurde aufgegeben und nicht mehr in Betracht gezogen. Die Piloten, die in diese Versuche eingebunden waren, verfügten als alte
Hasen über entsprechende Nachtflugerfahrungen aus dem Weltkrieg. Das erste dafür eingesetzte Flugzeug war eine Junkers A 20,
als Novum ist dabei die erste Verwendung der aus der Schifffahrt übernommenen roten und grünen Positionslichter zu bewerten.
Die Ergebnisse der ersten Versuche berechtigten dazu, diese Erfahrungen sowohl personalmäßig als auch flug- und
sicherstellungstechnisch in den allgemeinen Flugbetrieb zu überführen. Dem hatte der Ausbildungsstand der Piloten und die
Sicherstellung am Boden genauso zu entsprechen wie die Schaffung einer dem Anspruch entsprechenden Gerätetechnik. Die
Verantwortung für diese Art des regelmäßigen Nachtflugbetriebs ab 1926 übernahm als erster Nachtflugleiter der Luft Hansa
(erst ab 1933 wurde dann die neue Schreibweise Lufthansa eingeführt) der bekannte Ozeanflieger Hermann Köhl. Unter Führung der
beauftragten Firmen Siemens AG und Pintsch Bamag AG wurde als erste Strecke die von Berlin nach Königsberg mit Drehleuchtfeuern
ausgerüstet. Diese befanden sich, montiert auf Holz- bzw. Stahlmasten, im Abstand von 25...35 km (je nach Bodenprofil) auf der
Strecke und zeigten dem Piloten praktisch eine Lichterstraße an, der er entlang zu fliegen hatte. Das bedingte einerseits eine
anspruchsvolle Schlechtwetterflugausbildung des Flugpersonals, andererseits aber auch eine entsprechende Nachtflugbefeuerung der
Landeplätze und die Installation von Ausrüstungen am Flugzeug selbst, wie z. B. von Landescheinwerfern. Zudem bedingte auch die
ständige Betriebsbereitschaft der Befeuerung auf der Strecke eine zuverlässige Wartung und Überprüfung durch geschultes Personal
und eine den Anforderungen entsprechende Energieversorgung der Leuchtfeuer, die naturgemäß im überwiegenden Maße fernab jeder
Energiequelle aufgestellt waren. Deshalb wurde anfänglich noch die Gasbefeuerung verwendet, gespeist durch Druckbehälter, wo
machbar auch über im Boden verlegte Rohrleitungen wie bei normalen Hausanschlüssen üblich.
 Luftaufsichtsbeamte an einem
Zwischenfeuer mit externer Stromversorgung (Archiv GBSL)
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 Beladung einer Junkers A 20 mit
Post für den Flug nach Warnemünde um 1925 (Archiv GBSL) |
Recht schnell bürgerte sich
allerdings die elektrische Einspeisung ein, in günstigen regionalen Lagen mittels oberirdischer Kabelverlegungen. An
ungünstigen Standorten übernahmen die aus dem Angebot der Siemens & Halske AG stammenden sogenannten "Siemens Hauszentralen"
die Versorgung mit dem notwendigen Strom. Dies waren autonom mit Benzin betriebene Verbrennungsmotor-Stromgenerator-Aggregate
vor allem der Bauart LM30 mit einer Leistung von 1,5 kW und einer Spannung von 115 Volt. Lediglich für den automatischen Start
mittels Schaltuhr für das Ein- und Ausschalten der Anlage wurde eine Starterakkumulator benötigt, der selbsttätig auch im
Betrieb aufgeladen wurde. Der Antriebsmotor war eine Einzylinder-Benzin- bzw. Petroleummotor mit einer Leistung von 3 PS.
Das Gewicht des gesamten Aggregats betrug 225 kg, der Anschaffungspreis lag bei jeweils 1.900 Reichsmark, zuzüglich der Kosten
für den Akku in Höhe von 72 RM. Für die bodenseitige Sicherstellung (Wartung, Instandhaltung und Gewährleistung der
Betriebssicherheit) wurde extra die "Signaldienst GmbH" geschaffen, die 1929 der "Zentralstelle für Flugsicherung (ZfF)"
beigeordnet wurde. Bordseitig sorgten die bereits genannten Positionslichter sowie die Landescheinwerfer unter dem
Flugzeugrumpf und Magnesiumfackeln an den Spitzen der Tragflächen für Sicht und Kenntlichmachung. Die Verwendung von Fackeln
wurde aber auf Grund der Brandgefahr recht schnell auf Notfälle eingeschränkt. Recht problematisch erwies sich anfangs auch die
Beleuchtung der Geräte im Cockpit, bis eine blendfreie im Gerät selbst befindliche elektrische Lichtquelle die Lösung brachte.
Dieses umfangreiche technische Spektrum zur Sicherstellung von Nachtflügen ist eigentlich recht erstaunlich, fanden doch
bereits im Weltkrieg, wenn auch noch nicht im Masseneinsatz, Funkgeräte der Verbindung Boden-Luft Verwendung. Das eigentliche
Problem bestand nicht nur darin, dass nachts keine Sichtflugnavigation möglich ist und eine Koppelnavigation ab und zu einer
Korrektur bedarf, um Fremdeinflüsse wie z. B. Windstärke und -richtung eliminieren zu können. Zusätzlich waren zu dieser Zeit
Funksendegeräte noch zu voluminös und zu schwer. Um eine sichere Navigation mit der Funktechnik zu gewährleisten, wäre eine
entsprechende Bodenorganisation mit Funkpeilern und den entsprechenden Bordgeräten notwendig gewesen, zu dieser Zeit waren diese
allerdings erst in der Entwicklung. Damit war die Nachtflugbefeuerung ein unvermeidbarer Zwischenschritt auf dem Weg zur
Funknavigation.
Bis Ende der 20er Jahre erfolgte ein rascher Ausbau des Liniennetzes für den Nachtflug. Der Erfolg des Betriebs auf der Linie
Berlin-Königsberg forcierte die ursprüngliche Planung weiter. Derzeit ist eine genaue Zuordnung der zeitlichen Abfolge für die
Eröffnung weiterer Strecken nicht sicher vorzunehmen. Sicher ist nur, dass 1928 auch auf der Strecke Berlin-Hannover nachts
geflogen wurde. Vorhandene Übersichtskarten des Streckennetzes sind auf das Jahr 1936 datiert. Zu diesem Zeitpunkt war der
Streckenausbau in Deutschland in Betrieb im Prinzip abgeschlossen, wobei der zentrale Ausgangspunkt in den meisten Fällen
Berlin war. Von hier aus wurden die Hauptstrecken nach Königsberg, Hamburg, Hannover, Köln, Stuttgart und München bedient.
Die Lage der Leuchtfeuer auf diesen Strecken war in der Regel auf einem geraden Kurs ohne Kursänderungspunkte angelegt, quasi
wie mit dem Lineal gezogen. Von diesen Kursen aus konnten sowohl auf der Strecke liegende wie auch etwas abseits befindliche,
aber mit Befeuerungseinrichtungen versehene Landeplätze angesteuert werden. Dies waren Bremen, Stettin, Danzig, Nürnberg, Stolp,
Braunschweig, Berchtesgaden, Düsseldorf, Essen und Dortmund. Im Jahr 1936 begann auch der Ausbau der Strecke in Richtung
Breslau-Gleiwitz. Damit war ein relativ dichtes Streckennetz für den Nachtflug vorhanden bzw. im letzteren Fall vorgesehen. Der
wachsende Bedarf nach der Bedienung internationaler Ziele zwang dazu, den Nachtflugverkehr ebenfalls dahingehend auszuweiten.
Wie bereits erwähnt, lagen hier schon aus den Jahren 1924/25 erste Erfahrungen vor, auf denen sich jetzt aufbauen ließ. Über die
erwähnten Zielflughäfen hinaus wurde die Installation von Leuchtfeuern bis an die Grenzen Deutschlands und darüber hinaus
weitergeführt. Die letzten Feuer vor den deutschen Grenzen waren Brandlecht in Richtung Amsterdam, Neu-Teveren in Richtung
Paris, Marienleuchte auf Fehmarn in Richtung Kopenhagen und Auggen in Richtung Zürich. Besonders die Strecken in Skandinavien
(Dänemark, Schweden und Finnland) wurden mit modernen Befeuerungseinrichtungen versehen, die teilweise auch heute noch im
Gegensatz zu den Einrichtungen in Deutschland nicht nur noch vorhanden, sondern teilweise auch noch in Funktion sind.
Nicht zu vergessen ist bei diesem Thema die Einrichtung der Befeuerung auf den Flug- und Landeplätzen. Diese war bereits damals
recht umfangreich und umfasste sowohl transportable als auch stationäre Anlagen. Die Firma Pintsch entwickelte für die
Abwicklung des Nachtflugbetriebs im Boden eingelassenen Landelichter, die sowohl die Windrichtung als auch die Landerichtung
mit Hilfe von Gruppenschaltungen anzeigten. Die Anordnung folgte der Regel "von Grün über Weiß nach Rot". Selbst mit der
optischen Anzeige eines Gleitweges für einen hindernisfreien Anflug und mit einer Hindernisbefeuerung wurde bereits gearbeitet.
Für alle diese Verfahren und Einrichtungen galten standardisierte Regeln, die Einheitlichkeit gewährleisteten. Auch als ab 1930
international durch die CINA (Kommission Internationale de Navigation Aerienne) festgelegt wurde, dass alle Flugzeuge ab zehn
Passagieren Beförderungskapazität Funkanlagen zu führen hatten, blieben die Nachtflugbefeuerungen bis 1939 in Betrieb, wenn auch
ihre Bedeutung mehr und mehr nachließ. Erst mit Kriegsausbruch wurden alle Streckenbefeuerungen außer Betrieb genommen, um bei
Feindeinflügen keine Orientierungshilfe zu geben, obwohl dies ja nach der Definition Görings "Ich will Meier heißen, wenn
jemals ..." ja eigentlich ausgeschlossen war.
 Drehfeuer der Bauart Pintsch um
1932, (Archiv GBSL)
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Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht